Erstmals fand in Baden-Württemberg anlässlich zum Tag der Deutschen Einheit die Lange Nacht der Demokratie statt. Landesweit wurde in vielen Städten und Gemeinden in verschieden Formen über die Demokratie diskutiert, philosophiert und gestritten.
Hieran beteiligte sich auch die Allianz „Nie Wieder“, die zum Thema „Quo vadis Demokratie“ eingeladen hatte. Die Bündnispartner der Allianz sind Initiative Lebendige Demokratie Eberbach, Bündnis für Demokratie und Menschenrechte, Mosbach gegen rechts, Arbeitskreis Toleranz und Vielfalt, Bündnis für Demokratie kleiner Odenwald, Netzwerk gegen rechts Main-Tauber und Herz statt Hetze Neckar-Odenwald-Kreis.
Federführend war dabei Alexander Weinlein, der den größten Teil der Organisation übernommen hatte. Unterstützt wurde er hierbei von Oliver Schael vom Fritz-Erler-Forum der Friedrich-Ebert-Stiftung, ohne dessen Einsatz die Veranstaltung nicht möglich gewesen wäre.
Zusammen luden sie die ehemalige Ministerin der Justiz Frau Prof. Dr. Herta Däubler-Gmelin in die Abt-Bessel-Realschule im Schulzentrum ein.
Sie setzte sich 37 Jahre lang für die Demokratie im Bundestag ein und ist immer noch sehr aktiv, wie z. B. im Kuratorium der Carlo-Schmid-Stiftung und der Organisation „Mehr Demokratie“.
Dies erwähnte auch Bürgermeister-Stellvertreter Markus Dosch in seiner Begrüßung. Passend fand er es, dass gleichzeitig auch die Kreistagssitzung in der Stadthalle stattfand. Dies zeige, dass die Demokratie ständig auch direkt vor Ort gelebt wird. Um das überall gelebte „Demokratiewunder“ zu bewahren, könne seiner Meinung nach jede und jeder Einzelne etwas dazu beitragen, indem man klare Kante gegen Hass, Rassismus, Homophobie, Antisemitismus, Antiziganismus und jede Art von Ausgrenzung und Menschenfeindlichkeit zeige. In seinen Grußworten schloss der die Rektorin des Schulzentrums, Monika Schwarz, ein, der diese Veranstaltung auch ein wichtiges Anliegen war.
Durch das Programm führte Lisa Bundschuh von Herz statt Hetze Neckar-Odenwald-Kreis. Sie wies darauf hin, dass Demokratie nicht nur ein Wahlrecht bedeutet, sondern auch Verantwortung, Mitbestimmung und den Mut für die eigene Überzeugung einzutreten. Wichtiger jedoch sei die Bereitschaft Kompromisse zu finden und die Reduzierung der Themen auf Überschriften zu durchleuchten.
Musikalisch wurde der Abend von der Band Happytones von der Lebenshilfe Buchen und Umgebung unter Leitung von Martin Grollmuss untermalt.
Deren Anwesenheit und die Liedauswahl freute Frau Prof. Dr. Herta Däubler-Gmelin besonders. „Wir ziehen in den Frieden“ und vor allem den Eurovision-Song fand sie sehr passend, da dies für sie ein Zeichen der Einbettung in Europa bedeutet. Das Grundsetz sei darauf ausgelegt, dass alle in der EU gleichberechtigt sind. Jedoch dürfe man in Frage stellen, welche Konstruktionen in der EU noch verbessert werden können.
Vor allem durch die deutsche Geschichte sei es richtig und wichtig, dass diejenigen, die den Mund aufmachen und die Demokratie verteidigen, nicht alleine gelassen werden.
Die Auffassung, dass früher alles besser gewesen sei, teilt sie jedoch nicht. Das „nie wieder“ sei zwar nicht neu gewesen, die Struktur aber, die man durch die Lehren aus der deutschen Geschichte aufgebaut habe, schon. Der Reichspräsident hatte früher viel mehr Macht und habe dies nicht immer zum Guten genutzt. Deshalb habe man jetzt dem Bundespräsidenten eine repräsentative Rolle zugeschrieben. Zwar habe er eine wichtige Funktion, schreite aber nur selten ein und unterstützt helfend. Ebenso habe man eine Machtverteilung installiert, die sich gut im Föderalismus zeige. Die 16 Bundesländer bilden die Bundesrepublik, in denen auch die vielen Gemeinden ein unglaublich kompliziertes System bilden. Alle Verfassungsorgane haben zusätzlich noch jeweils Kontrollorgane.
„Das Bundesverfassungsgericht hat eine starke Rolle und muss daher vor Missbrauch geschützt werden“, ist für Prof. Dr. Herta Däubler-Gmelin ein wichtiges Anliegen.
Ein besonderes Augenmerk richtete sie auch auf die Gleichberechtigung, sowohl bei Mann und Frau, aber auch bei Menschen mit und ohne Handicap, der Herkunft oder der sexuellen Orientierung. Deren Würde müsse daher weiterhin im Grundgesetz abgesichert werden.
Die Demokratie muss ständig verteidigt werden, auch wenn dies anstrengend sei. Man benötige mehr als eine reine „Zuschauerdemokratie“. Dabei stelle sich die Frage, wie jede oder jeder Einzelne sich einbringen kann, sei es in Parteien, in Vereinen, im Gemeinderat oder in NGOs. Für ein kurzfristiges Engagement seien zwar viele bereit, aber jemand für ein Amt zu finden, z. B. in Vereinen, würde immer schwieriger.
Mit diesen Aspekten leitete die Gastrednerin in die Podiumsdiskussion über. Die Gesprächspartner waren Erik Brunner (Jusos), Oliver Linke (Schülersprecher), Wolfram Bernhardt (Bürgermeister Adelsheim), Jonas Weber (Jusos), Lena-Marie Dold (Junge Grüne), Max Sigmund (Julis) und Dominik Kircher (Bürgermeister Binau).
Die Diskutanten waren sich dabei einig, dass unsere Demokratie viele Möglichkeiten bietet und dass alle sich aktiv zu ihr bekennen können. Das Wahlalter zu senken sei zwar ein guter Weg, junge Menschen eine Möglichkeit der Teilhabe zu bieten, reiche aber nicht allein. Ebenso seien Volksentscheide nicht ein Allheilmittel, weil man es nicht jedem recht machen kann. Man sollte deshalb Strukturen oder Parteien nutzen, in denen man sich einbringen kann.
Dem Aufruf, dass sich mehr an der Erhaltung der Demokratie beteiligen sollen, wurde von allen unterstützt.